Fakten + Analysen zum Ölmarkt
Ölmarktinfos und Prognosen zur Ölpreisentwicklung
World Oil Outlook 2024 der OPEC
- Die OPEC hat am 24. September ihren vielbeachteten 'World Oil Outlook' veröffentlicht. Darin hat man die Prognosen für die mittel- und langfristige Ölnachfrage angehoben.
- Bis 2050 soll der weltweite Ölbedarf demnach noch auf 120 Mio. Barrel/Tag ansteigen. Auch soll der Anteil an Verbrennungsmotoren in 2050 noch bei über 70% liegen, getrieben von Ländern, die nicht der OECD angehören.
- Damit widerspricht die OPEC grundsätzlich den Outlook-Berichten der IEA und von BP, die einen erheblichen Ölbedarfsrückgang sehen.
- Exxon Mobil hingegen geht für 2050 von einem ähnlich hohen Ölbedarf wie heute aus und schätzt, dass dieser bis 2050 kontinuierlich bei über 100 Mio. Barrel/Tag bleiben wird.
Markteinschätzungen
- Die Analysten der Investmentbank Macquarie haben ihre Ölpreisprognosen für Ende 2024 und das Jahr 2025 deutlich heruntergeschraubt. Das laufende dritte Quartal dürfte erst einmal das letzte sein, dass noch mit einer knappen Unterversorgung aufwartet. Danach soll es für längere Zeit ein kräftiges Überangebot geben, erwartet man bei Macquarie. Die anhaltend schwache Ölnachfrage Chinas werde die Ölpreise unter Druck halten, heißt es.
- Die US Großbank Citi revidiert in der Prognose den Brent Rohölpreis für 2025 von 60 auf 50 Dollar/B tief abwärts. Man begründet das mit einem erwarten starken Überhang der Ölproduktionsmengen gegenüber der Weltölnachfrage.
- Die IEA prognostiziert für das I. und II. Quartal des kommenden Jahres einen Angebotsüberhang von 1,1 - 1,3 Mio. Barrel/T.
- Die US Großbank Morgan Stanley hat ihre Prognose für die Ölpreise nach unten korrigiert. Für das vierte Quartal hat man die Preiserwartung für die Leitsorte Brent von 85 auf 80 USD/B gesenkt und für Ende 2025 auf 75 USD/B ebenfalls verringert. Die Analysten sehen das Angebot der OPEC- und Nicht-OPEC-Länder in 2025 um etwa 2,5 Millionen Barrel/T anwachsen, was deutlich über dem Nachfragewachstum liegt.
- Der Generalsekretär der OPEC gab bekannt, dass die weltweite Rohölnachfrage bis 2045 auf 110 Mio. Barrel/Tag ansteigen werde. Das entspräche einem Nachfrageanstieg von +8,5%. Die EIA prognostiziert, dass die Weltölnachfrage Anfang 2024 auf die Rekordmenge von 103,0 - 103,7 Mio. Barrel am Tag ansteigen wird. Das bisherige Rekordniveau lag bei 102,3 Mio. B/T.
Entwicklungen und Fakten
- Im dritten Quartal erlitten die Rohölkontrakte überaus deutliche Preisabgänge. Die europäische Leitsorte Brent verlor um 17%, während parallel die US Leitsorte um 16% abgerutscht ist. Das spiegelt die mittelfristige Markteinschätzung überdeutlich wider.
- Die OPEC+ befindet ist in einer Negativ-Zwickmühle.
Die OPEC+ hat ihren Entschluss, die Ölförderung ab Oktober schrittweise zu erhöhen, gezwungenermaßen wieder zurückgenommen. Die Marktsituation und das Preisniveau geben solchen Schritt derzeit nicht her. Vor dem Jahresende wird das nicht neu angegangen. - Brasilien hat seine Ölförderung gegenüber dem Vorjahr bislang um +2,6% gesteigert und hat noch mehr Potenzial. Auf der anderen Seite dürfte die Ölförderung in Venezuela in diesem Jahr um 120.000 Barrel/T abnehmen.
- Venezuela: Mit dem mutmaßlich stark manipulierten Wahlergebnis bleibt in Venezuela Maduro an der Macht. Die wahrscheinliche Konsequenz wird sein, dass die USA ihre verringerten Sanktionen gegenüber Venezuela wieder umfänglich implementieren werden. In der Folge dürfte das längerfristig das Ölangebot auf dem Weltmarkt etwas verknappen (bullisch).
- Das Emirat Kuwait hat den Fund eines neuen großen Erdöl- und Erdgasfeldes gemeldet. Die offshore Lagerstätte liegt östlich der Insel Failaka. Das staatliche Ölunternehmen KPC bezifferte die Kapazität mit 2,1 Milliarden Barrel leichtem Rohöl und 5,1 Mrd Kubikmeter an Erdgas.
- Norwegens Öl- und Gaskonzerne investieren dieses Jahr rekordhohe 22 Mrd Euro in die Rohstoffförderung und in die Transportpipelines. Für 2025 sind noch mal 19 Mrd Euro an Investments geplant.
- Der US-Dollar als "Petrodollar" bekommt Konkurrenz:
Die Länder des BRICS-Bündnisses, mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben sich zusammengeschlossen, um untereinander Handel in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Das soll zukünftig auch für die Ölgeschäfte gelten. Kürzlich ist auch der Opec-Leader Saudi-Arabien den BRICS-Staaten beigetreten. Diese Länder könnten untereinander die Finanzsanktionen gegen russisches Öl und Gas umgehen indem das nicht mehr in Dollar gezahlt wird. - Die Seewege Rotes Meer (Angriffsrisiken) wie auch der Panamakanal (Trockenheit in der Region) bleiben kritische Frachtrouten.
Russland: Ölembargo / Exportmengen
- Das Embargo der größten westlichen Industriestaaten gegen Russland hat zu einem Schwenk der russischen Rohöllieferungen vorrangig nach Asien, vor allem nach Indien, geführt. Die Sanktionen des Westens waren in 2023 und 2024 unterm Strich weitgehend wirkungslos. Russland betreibt eine Schattenflotte.
- Russisches Erdgas fließt in Strömen. Der russische Staatskonzern Gazprom überschwemmt die Balkanländer mit billigem Erdgas. Um mehr Umsatz zu generieren bietet Gazprom seine Erdgaskontrakte um 8 - 10 EUR / MWh unter den Marktpreisen des TTF Haupthandelsplatzes an.
Erstmals seit 1999 hat der russische Energiekonzern in 2023 rote Zahlen geschrieben und einen Verlust von über 6 Milliarden Euro eingefahren. Noch in 2021 bezogen die europäischen Staaten 40% ihrer Erdgasimporte aus Russland. In 2023 waren es nur noch 8%. Der Hauptgrund für den Rückgang war die Zerstörung der Nordstream-Pipelines. - Mit Beschädigungen und Bränden in mehreren Ölraffinerien und einer Pipeline durch ukrainische Drohneneinschläge und Sprengstoffanschläge wird Russland derweil keine Mineralölkraftstoffe mehr exportieren. Der Eigenbedarf geht vor.
Die Ukraine meldet seit vielen Monaten schwere russische Angriffe auf seine kritische Infrastruktur, insbesondere der Energieversorgung. Dabei setzt Moskau auch die besonders gefürchteten Gleitbomben ein. - Russland hat lange schon auf "Kriegswirtschaft" umgestellt:
Die Industrieproduktion in Russland hat sich gravierend verändert. Dabei stellt der Verteidigungssektor die Produktion ziviler Produkte in den Schatten. Erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion übertreffen die Militärausgaben das Sozialbudget bei weitem. Fast 1/3 des Staatshaushalts für 2024 sind für die Rüstungsgüter vorgesehen. Die Sozialausgaben, einschließlich Gehälter, Renten und Sozialleistungen machen nur 1/5 des Budgets aus. Dieser Umschwenk hin zur Kriegswirtschaft bedroht die sozialen und humanitären Bedürfnisse. - Der „Hauptmotor“ der russischen Wirtschaft ist der Ukraine-Krieg. Die Schäden dieser „Kriegswirtschaft“ werden gravierender. Ökonomen sagen, dass Russland aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und den industriellen Umstellungen zu einem Dauerkrieg verdammt sein wird. Sehr lange wird die Situation dem wirtschaftlichen Druck nicht standhalten können. Anderseits ist Russlands Wirtschaft derart abhängig vom Ukraine-Krieg, dass Putin es sich weder leisten kann, den Krieg zu gewinnen noch zu verlieren, so die Thesen einiger Marktexperten.
US Ölmarkt
- Im dritten Quartal lag die Rohölförderleistung der USA im Mittel bei 13,3 Mio. Barrel am Tag und damit um 400.000 B/T höher als im Vorjahr. Dabei betrug laut GlobalData die amerikanische Schieferölproduktion im Permian Basin etwa 5,5 Mio. Barrel am Tag. Parallel lag die tägliche Erdgasproduktion in diesem Gebiet bei 654 Mio. cbm.
- US Wetterdienste prognostizierten für Juli bis November 2024 eine überdurchschnittlich aktive Hurrikansaison für den Atlantik, mit entsprechendem Gefahrenpotenzial für den Golf von Mexiko und die US Ostküste. Im September hatten die Hurrikane 'Francine' und 'Helene' für weitweichende schwere Überschwemmungen gesorgt.
- Die USA haben im ersten Halbjahr '24 mengenmäßig die Führungsrolle als Europas Lieferant von Rohöl, Diesel und LNG (Flüssiggas) eingenommen. Das ist auch dadurch begründet, dass viele Tanker aus dem arabischen Raum ganz Afrika umfahren, weil die Region 'Rotes Meer' ein anhaltend hohes Transportrisiko birgt.
- Die US Ölförderung im Golf von Mexico soll deutlich anwachsen und bis 2026 von ihrem Niveau von 2023 mit 2,2 Mio. Barrel/T auf ein Allzeithoch von 2,6 Mio. B/T zulegen. Projekte zur Kohlenstoffabscheidung und deren Tiefenspeicherung werden der nächste Schwerpunkt der Offshore-Entwicklungen im US-Golf von Mexiko sein.
Chinas Wirtschaft und Ölbedarf
- China bewegte sich zu Jahresbeginn in der kritischen Deflation. Die Teuerungsrate für Januar wurde negativ ermittelt mit -0,8% (Vormonat -0,3%). Mit der starken Deflation steht Chinas Wirtschaft zunehmend unter Druck. Diese Entwicklung ist durchaus bedenklich. Der Januar verzeichnete den stärksten Rückgang der Verbraucherpreise seit 2009.
- Die jüngsten Konjunkturdaten aus China sind sehr gemischt. Mehrere Wirtschaftszweige kriseln bedenklich, vor allem auch der Immobiliensektor. Peking ist dabei, neue Konjunkturprogramme aufzulegen. Der Außenhandel ist im Februar aber positiv wieder angesprungen.
- Chinas Schiffswerften sind mit einer Schwemme an neuen Bestellungen von LNG-Tankern regelrecht überzogen. In 2024 sollen dort 55 neue LNG-Großtanker gefertigt werden.
- Die chinesische Zentralbank hat im August den Yuan auf einen sehr tiefen Wechselkurs-Stand gesetzt und versucht mittels der abgewerteten Währung die Exporte anzukurbeln. In Anbetracht der deutlich nachlassenden Warennachfrage seitens der USA mögen diese Maßnahmen jedoch nicht hinreichen. Ende September senkte die Zentral die Zinsen um der Wirtschaft Stützungsimpulse zu geben.
Klimagefahren
- Der COP28 Gipfel mit gemeinsamer Abschlusserklärung wird als Wendepunkt im Klimakampf gefeiert. Das globale Abkommen zur Abkehr von fossilen Brennstoffen wird als ist ein wichtiger Meilenstein in der globalen Ausrichtung hin zu einem kohlenstoffarmen Energiewirtschaft gesehen. Der Text enthält auch Vereinbarungen, den Einsatz erneuerbarer Energien zu verdreifachen und die Effizienzsteigerungsrate bis zum Ende des Jahrzehnts zu verdoppeln. Es müssen aber die als Ziel gesetzten notwendigen Schritte dann auch faktisch folgen.
- 'World Enery Outlook' der IEA:
Die Kombination aus einer voranschreitenden Energiewende, gepaart mit strukturellen Veränderungen der Weltwirtschaft, wird in der Zukunft erhebliche Auswirkungen auf den Öl- und Gasweltmarkt haben. Die weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen werden in 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Die Pariser Klimaziele bleiben aber ohne die internationale Zusammenarbeit absolut unerreichbar!
Die globalen Treibhausgasemissionen haben in 2023 einen neuen Rekord erreicht. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe nahm zu und die Welt erlebte den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Die Investitionen in erneuerbare Energien müssen vervierfacht werden, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.
Die IRENA (International Renewable Energy Agency) hat berechnet, dass sich die weltweiten Investitionen in Technologien zur Energiewende auf 5 Billionen jährlich vervierfachen müssten, um den Temperaturanstieg auf +1,5 °C zu begrenzen. Täte man das nicht, käme das unsagbar teurer mit katastrophalen Folgen.
Laut UN ist kein „glaubwürdiger Weg“ beschritten, um den Anstieg der globalen Temperaturen bis 2040 auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Beim derzeitigen Kurs werden sie bis 2050 um 2,8°C ansteigen.
- Während sich Dürren und Waldbrände in Asien, Australien und Europa häufen, wird in Afrika mit mehr Überschwemmungen gerechnet. Neben den menschlichen sind auch die wirtschaftlichen Folgen enorm und um ein Vielfaches höher, als bisher angenommen. El Niño wird der Welt Billionen an Euro kosten!
- Die Europäische Union verschärft ihre Ziele für die erneuerbaren Energien erneut. Die EU ist dabei die Zielschwelle für den Anteil der Energieerzeugung aus Erneuerbaren bis 2030 von 32% auf 42,5 % anzuheben. Das gleiche Anteilsziel wird für die Wasserstofferzeugung aus Erneuerbarer Energie gesetzt.
- Auch der Weltklimarat schlug mit seinem jüngsten Bericht Alarm hinsichtlich einer unbestreitbar beschleunigten Klimaerwärmung. Demnach könnte eine Erderwärmung um 1,5 Grad bei aktueller Entwicklung bereits bis 2030 erfolgen. Bislang hatte man damit erst etwa zehn Jahre später gerechnet. Dieses ist weder umkehrbar noch stoppbar. Diese Prozesse können mit größten Anstrengungen lediglich verlangsamt werden.
Und statt zu sinken, steigen die globalen CO2-Emissionen. Die globale Erwärmung schreitet noch schneller voran als vorausberechnet. Deren Folgen werden verheerend(!) ausfallen.
- Die Menschheit ist auf dem unverantwortlich kritischen Weg, bis zum Jahr 2030 doppelt so viel an fossilen Brennstoffen zu verbrennen, wie verkraftbar wäre um die Erderwärmung unter +1,5 ° C zu halten. Auch diese Zahl wird bereits gravierende und umwälzende Folgen für das globale Ökosystem mit sich bringen. Diese Auswirkungen sind absolut unumkehrbar und niemals wieder gutzumachen. "Wir sind in einem tiefen Loch - und wir müssen sofort aufhören zu graben", beschwört das unabhängige Stockholm Environment Institute (SEI).
Wasserstoff / E-Fuels: Neue Projekte
- In Vision soll die Nordsee zum 'Green Power House' für Europa werden.
- Der niederländische Netzbetreiber Tennet will mit Milliardeninvestitionen den Ausbau von Leistungs-Stromleitungen der dortigen Windparks vorantreiben. Siemens Energy sicherte sich dabei einen Milliardenauftrag. Beide Unternehmen sprechen von einem Meilenstein für die europäische Energiewende.
- Die HH2E AG und die Schweizer MET Group haben ein Joint Venture für Entwicklung und Bau der bisher größten Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff in Europa in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) gestartet. Das Projekt soll in der ersten Ausbaustufe den Bau einer Power-to-X-Anlage der neuen Generation mit einer Kapazität von rund 6.000 Tonnen (200.000 MWh) grünem Wasserstoff pro Jahr ab 2025 umfassen. In Ausbaustufe 2 ist eine Leistung von über 1 GW ab 2023 geplant, wodurch mehr als 60.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr produziert und über 800.000 Tonnen direkter CO2-Emissionen jährlich vermieden werden können. Die Gesamtinvestitionen dürften 1 Milliarde Euro übersteigen.
Gas-Lieferströme in Europa
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